Ein Tag unserer Volontärin Charlotte Oelschlegel an der deutsch-tansanischen Schule.
5:30 Uhr morgens. Der Tag im Mädchenschlafsaal beginnt mit Wäsche waschen und duschen. Der Lärmpegel ist wahnsinnig. Wenn 30 Mädchen aufwachen ist was los! Leider verstehe ich bei dem Chaos
nichts. Da mischt sich Englisch mit Kisuaheli, Massai-Stammessprachen und manchmal auch einer deutschen Floskel.
Ich versuche das Ganze zu überschlafen, um mich um 7:15 Uhr zum Frühstück aufzumachen. Da ist die Luft noch kühl und man kann an den Wolken schon erahnen, wie warm der Tag wird. Meistens hat es hier bis zu 35 Grad. Allerdings gab es auch schon zwei Mal einen leichten Regenschauer. Überraschend war das allerdings nicht: Denn wenn in Tansania die Kröten quaken, wird es innerhalb der nächsten Viertelstunde regnen. Das ist die erste afrikanische Weisheit, die ich von den Schülern gelernt habe!
Zurück zum Frühstück. Auf dem Weg zu dem Haus der Familie Köhler, die Leiter der Schule ist schon einiges los. Viele Menschen kommen einem entgegen. Mit jedem tauscht man die berühmt berüchtigten Afrika-Floskeln aus: How are you? Fine. Thank you! How are you? Fine. Dann alles nochmal auf Kisuaheli: Habari gani? Nzuri. Salama! (Friede sei mit dir).
Zum Frühstück gibt es Brot mit Marmelade und manchmal auch Nutella (!!!). Außerdem viele verschiedene, tropische Früchte: Papayas, Mangos oder Zuckerrohr. Allerdings bin ich meistens viel zu verschlafen, um diese zu schälen und verschiebe das auf den Mittag.
Anschließend folgt der morgendliche Appell. Alle Schüler stellen sich auf ihren Stammplatz und man singt die tansanische, die deutsche und die Schulhymne. Das hat für mich am ersten Tag gleich zu einer peinlichen Situation à la Sarah Connors "Brüh im Glanze" gebracht. Die Schüler haben mich bei der deutschen Hymne ganz genau beobachtet. Unter diesen Umständen war ich dann doch nicht ganz Textsicher. Mittlerweile klappt das aber und sogar die Schulhymne kann ich mitsingen.
Um 17:30 folgt die erste Studytime. Hier lerne ich gemeinsam mit meiner Nachhilfeschülerin Monica. Sie versteht nur einige wenige Floskeln auf Englisch. Ich versuche meistens, ihr mit Händen und Füßen die Bedeutung der Worte, die sie liest, zu erklären. Mittlerweile klappt das auch schon besser. Allerdings bin ich sehr verwundert über ihr Benehmen in der Stunde: Sie sitzt zusammengekauert am Tisch und kaut auf ihrem Stift herum. Meistens traut sie sich nicht etwas zu sagen. Ich weiß, dass sie früher eine Militärschule besucht hat. Dort werden die Schüler bei jeder falschen Antwort mit Schlägen bestraft. Die gängigste Methode ist in Tansania das Schlagen mit der Linealkante auf die Hände. Deswegen sagt sie jetzt lieber gar nichts oder nur ganz leise und vernuschelt. Mein größter Erfolg mit ihr betrifft momentan gar nicht das Englisch, sondern die Körpersprache. Wir üben während des Lesens aufrecht zu sitzen und laut und deutlich zu antworten. Es ist schön zu beobachten, wie sie selbstbewusster wird und es auch schafft, Fehler zu machen.
Da gab es eine ganz bestimmte Schlüsselsituation. Ich hab versucht ihr in der zweiten Nachhilfestunde die Wochentage beizubringen. Sie war sehr abweisend, hatte keine Lust und als ich ihr dann noch erklärte, sie solle die Namen der Tage als Hausaufgabe auswendig lernen, war sie total sauer. Ich wollte sie aber mit dieser Laune nicht aus der Stunde gehen lassen. So beschlossen wir einen Kompromiss: Sie schrieb mir die Wochentage auf Suaheli auf und ich ihr die Wochentage auf Englisch. Bis zum nächsten Tag lernten wir die Namen auswendig. Daraufhin fragten wir uns gegenseitig ab und seit dem scheint sie mich zu mögen. Schön, dass das Prinzip des gegenseitigen voneinander Lernen in der Praxis so gut klappt!
Dann geht es für die Schüler in den Unterricht und für mich beginnt der entspannte Abschnitt des Tages. Ich lese, spaziere durch die Gegend, gebe ein paar Hefte oder Stifte aus, wasche meine Wäsche, kehre mein Zimmer und dann ist 15 Uhr und meine eigentlichen Aufgaben beginnen. Von 15 - 17 Uhr haben die Schüler nämlich frei. Da bleibt Zeit für Sport, Musik oder Projektarbeit.
Am meisten ist es dann doch Musik. Im Musikzimmer gibt es ein kleines Keyboard – das Objekt der Begierde schlechthin! Es ist interessant zu sehen, wie sich die Kinder das Klavier spielen selbst beibringen. Die gängigste Methode ist es, die Lieder die im Keyboard eingespeichert sind nachzuspielen. Zum Beispiel den Pachelbel-Kanon: 1. ein Takt vom Keyboard vorspielen lassen – 2. Takt selber spielen – 3. Takt mit Keyboard-Gedudel spielen – 4. Nächsten Takt anhören – 5. Nachspielen – 6. Zurück zum Anfang spulen und beide Takte spielen. Diese Methode ist ein wenig fraglich, denn bis jetzt hat es noch keiner der Schüler über Takt 5 hinaus geschafft... ;-) Andere entwickeln Akkorde, andere spielen improvisiert Melodien und der größte Teil der Schüler hämmert halt so in die Tasten... Hauptsache es macht Spaß! Gifti (Godgift), 13 Jahre alt lernt jetzt mit mir Blockflöte. Ich glaube er ist wirklich clever, er kann schon einige Noten lesen und hat sogar den Unterschied zwischen Ganzen-, Halben- und Viertelnoten kapiert, obwohl ich das auf Englisch nicht gut erklären konnte!
Marcelino und Barkari sind die beiden Gitarristen der Schule. Sie spielen zusammen einfach stundenlang Akkord Reihenfolgen – und das ganz schön gut! Gestern haben wir das Lied „Blowin’ in the wind“ geübt. Nach und nach kamen die anderen Schüler dazu und haben mitgesungen oder mitgetrommelt.
Mein letzter Schüler ist Peter: Er will Trompete lernen und danach auch Bratsche. Er meint, im Dezember sei er fertig mit Trompete und dann hätten wir ja noch 3 Monate zum Bratsche lernen. Ich vermute allerdings, so schnell wird es nicht gehen. Noch arbeiten wir nämlich an den ersten 4 Tönen einer C-Dur Tonleiter. Es ist wirklich eine Herausforderung ein Instrument zu unterrichten, welches man selbst gar nicht spielt. Dazu kommen noch einige sprachliche Schwierigkeiten, aber ich finde er schlägt sich ganz gut!
Nach der Nachhilfe gibt es für Lehrer und Freiwilligen Abendessen. Über die tansanische Küche werde ich aber noch in einer anderen E-Mail berichten. Eins sei aber gesagt – sie ist wirklich gut!
Nachdem die Schüler eine weitere selbstständige Lerneinheit bis 21 Uhr abhalten, habe ich wieder frei. Um 21 Uhr geht’s dann unter großem Getöse ins Bett. An besonderen Tagen gibt es allerdings auch noch einen Film für die Schüler. Der Lieblingsfilm aller Schülerinnen und Schüler ist übrigens High School Musical gefolgt von Camp Rock 1 und 2, der erste Teil sei aber besser. Gott sei Dank musste ich diese Filme noch nicht mit ansehen! ;-)
Normalerweise waschen die Mädchen um 21 Uhr nochmals ihre Wäsche oder duschen sich. Ich bin überrascht, wie diszipliniert und selbstständig sie sind. Sogar die kleinen waschen täglich drei Mal ihre Wäsche. Damit fertig, pudern sie sich mit allen möglichen Sachen ein, kämmen sich die Haare, packen ihre ölhaltigen Cremes aus und machen sich schön. Nach der Mittagspause riecht der Mädchenschlafsaal wie eine Parfümerie! Unter allgemeinem Geschrei verkriechen sie sich nach der abendlichen Schönheitskur in ihre Betten und ich breche meine Gute Nacht-Runde an. Das ist immer wahnsinnig süß und sie wollen alle, dass ich bei ihnen im Bett schlafe.
Ich habe aber ganz anderes zu tun. Nachdem die Schüler im Bett sind begebe ich mich mit meinem Mitvolontär Landolf auf zu „Mama Liebe“. Das ist ein kleiner Kiosk nahe der Schule. Dort kann man abends noch bis 11 Uhr sitzen und etwas trinken. Die beiden Freiwilligen der Nachbarschule sind dort auch immer anzutreffen. Es ist schön, sich über die Erfahrungen mit den Schülern auszutauschen. Dadurch wurde mir auch bewusst, wie viel Glück ich hier an der One World Secondary School Kisangara habe: An der Nachbarschule werden nämlich sogar schon die 3-4 jährigen Kindergartenkinder geschlagen. Meine Schule ist wohl die einzige Schule in Tansania, an der das nicht erlaubt ist. Falls ein Lehrer schlägt wird er sofort gefeuert. Wunderbar ist zu sehen, dass die Kinder trotz allem auf die Lehrer und Volontäre hören und auch in den staatlichen Prüfungen hier im District auf einem guten Platz stehen!
Viele Grüße ins herbstliche Deutschland aus dem sommerlichen Tansania,
Charlotte
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